Geschichte der Heilbäder und Kurhäuser Schweiz
Heilbäder und Kurhäuser Schweiz (HKS) ist die Vereinigung von Rehabilitationskliniken, Kurhäusern, Heilbädern und Gesundheitshotels. In seiner hundertjährigen Geschichte hat sich der Verband kontinuierlich mit den sich wandelnden Bedürfnissen der Gäste wie z.B. dem Trend zu Wellness- und Gesundheitstourismus, veränderten gesetzlichen Vorgaben und der medizinischen Entwicklung beschäftigt. Von der Gründung 1924 bis zur jüngsten Fusion und Neuausrichtung im 21. Jahrhundert spiegelt sich das Bestreben, das Bäderwesen zu fördern, die Qualität zu sichern und die Interessen der Mitglieder zu vertreten. Diese müssen strenge Qualitätskriterien erfüllen.
Bäderfahrten
Bäderfahrten sind die älteste Form des Tourismus. Schon vor 3000 Jahren wurde die Mauritiusquelle in St. Moritz erstmals gefasst. Die Römer nutzten vor rund 2000 Jahren die Heilquellen ganz Europas, die sie «Aquae» nannten, was «Wässer», aber auch «Bäder» heissen kann. Viele Orte haben ihre entsprechenden Namen bis heute behalten: Baden im Aargau (einst «Aquae Helvetiae»), Leukerbad im Wallis, Baden-Baden in Deutschland, Baden bei Wien oder Bath in England, um ein paar berühmte Beispiele zu nennen. Andere machen durch später hinzugefügte Namenszusätze auf ihre Bädertradition aufmerksam, etwa Bad Zurzach, Bad Ragaz oder Yverdon-les-Bains.
Aufschwung ab dem Mittelalter
Im Hochmittelalter, aber vor allem ab dem 15. Jahrhundert begannen Ärzte wie Paracelsus, die medizinische Wirkung von Heilquellen zu erkunden. Zahlreiche Thermalquellen wurden für Badende erschlossen, schon 1382 die Taminaquelle im heutigen Bad Pfäfers, Bad Fideris im bündnerischen Prättigau (1464), das Gurnigelbad (1591), das Schwefelbad an der Lenk im Simmental (1690) oder Schinznach Bad (1691).
Boom und Niedergang in der Belle Époque
Mitte des 19. Jahrhunderts zählte man in unserem Land rund 250 Quellen, und die Belle Époque ab ca. 1870 bis zum Ersten Weltkrieg sah eine rasante Zunahme der – oft sehr eleganten bis mondänen – Badekurorte.
Doch schon Anfang des 20. Jahrhundert wiesen viele Kurorte unbefriedigende Besucherzahlen auf. Fortschrittliche Ärzte gründeten 1900 die Schweizerische Balneologische Gesellschaft, die sich neben medizinischen auch mit praktischen und organisatorischen Fragen befasste. Doch der kommerzielle Erfolg blieb aus, und der Erste Weltkrieg brachte 1914 einen weiteren dramatischen Einbruch. Die Schweizerische Verkehrszentrale gründete deshalb nach Kriegsende eine Bäder-Kommission, die sich aber 1921 «mangels Subvention der Interessenten» wieder auflöste.
1920er - Die Gründung des Verbandes
1924 schritt man endlich zur Tat. Am 16. Dezember 1924 trafen sich in Baden AG 16 Vertreter von damals renommierten Bädern wie Gurnigel BE, Tenigerbad GR oder Knutwil LU und von heute noch anerkannten Badekurorten wie Leukerbad VS, Yverdon VD oder Bad Ragaz SG. Sie gründeten die Vereinigung Schweizerischer Badekurorte (VSB), um die gemeinsamen Probleme gemeinsam anzugehen. Hotelier Karl Rupprecht aus Rheinfelden wurde zum ersten Präsidenten gewählt. Der Verband wollte die Infrastruktur der Bäder verbessern und diese als touristische Destinationen und gleichzeitig als Einrichtungen zur Hebung der Volksgesundheit fördern.
1920er - 40er Jahre
Forschung und Qualitätssicherung
Die Werbung für die Heilbäder In den Jahren 1920 bis 1940 war in einem formellen und informativen Stil gehalten. So lautete der Slogan 1927: «Badet Euch gesund!» 1930 wurden die Bäder als «Jungbrunnen» angepriesen, und 1938 hiess es: «Vorbeugen, Heilen, Verjüngen durch Schweizer Heilbäder».
Die wichtigste Aufgabe des Verbandes war jedoch die Verbesserung der Qualität und Infrastruktur der Bäder, die veielerorts zu wünschen übrig liess, und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Die Weltwirtschaftskrise nach dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929, die 1932 ihren Tiefpunkt erreichte, war eine neue Herausforderung für den Verband und erforderte eine dynamische Führung. August Schirmer wurde 1933 Verbandssekretär; er sass von 1939 bis 1959 zudem als Vertreter der Aargauer FDP im Nationalrat. Dr. Bernardo Diethelm aus Bad Ragaz folgte Karl Rupprecht 1936 als Präsident und wurde tatkräftig von August Schirmer unterstützt, der 1938 zum Vizepräsidenten gewählt wurde.
1940er Jahre
Kriegs- und Nachkriegszeit
Zwischen 1940 und 1950 war der Verband damit beschäftigt, die Heilbäder möglichst unbeschadet durch die stürmischen Jahre des Zweiten Weltkriegs zu navigieren und danach den Tourismus wieder zu beleben. 1943 gab die Schweizerischen Zentrale für Verkehrsförderung (SVZ) dem Filmer Heinrich Steiner den Kurzfilm «Heilende Schweiz» in Auftrag, ein Jahr später einen weiteren Streifen namens «Fontes Helvetiae», der sich auf die Thermalquellen fokussierte.
In jener Zeit wurden zudem sämtliche Heilquellen geologisch begutachtet und chemisch untersucht. Und 4868 Ärzte in der Schweiz erhielten Karten für den kostenlosen Eintritt in die Bäder.
1947, nach dem Tod von Bernardo Diethelm, begann die erfolgreiche «Ära Schirmer». Als Präsident widmete August Schirmer bis zu seinem Tod 1973 seine volle Arbeitskraft und seinen politischen Einfluss dem Bäderwesen. Er war nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem Mitgründer des Weltverbandes für Balneologie und Klimatologie, der seither wertvolle Arbeit für das Verständnis des Heilbäderwesens leistet.
Zur Sicherung einer therapeutisch glaubwürdigen Balneologie wurde 1949 in engster Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Balneologie und Bioklimatologie (SGBB) eine Indikationen-Kommission aus Spezialärzten ins Leben gerufen. Sie sollte eine Übersicht über die schweizerischen Badekurorte schaffen und ihnen klar definierte Indikationen zuteilen.
1950er und 1960er Jahre
Expansion und Modernisierung
Unter der Führung von August Schirmer strebte der Verband danach, das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Gesundheit und Wellness zu fördern und die schweizerischen Heilbäder als führende Destinationen für Erholungssuchende und Gesundheitstouristen zu positionieren.
Der VSB begann eine Zusammenarbeit mit dem Schweizer Hotelierverein (heute Hotelleriesuisse) und mit dem Schweizerischen Fremdenverkehrsverbund (heute Schweizer Tourismusverband STV). Die SVZ machte Werbung bei den Ärzten in ganz Europa und Marokko.
Der VSB spielte eine Schlüsselrolle bei der Ausgestaltung und Einführung des «Bundesgesetzes über Bundesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen Krankheiten», das 1963 von den Stimmberechtigten angenommen wurde. Das Gesetz verpflichtet Bund und Kantone, die Rheuma-Forschung und den Bau und Betrieb von Heilbadeanlagen und Kliniken zu subventionieren.
Zwischen 1952 und 1967 wurde das Protokoll der Delegiertenversammlungen und Vorstandssitzungen von einem Redaktor der «Schweizer Hotel-Revue» geschrieben. Diese berichtet regelmässig und ausführlich über den Verband. 1961 erschien auch «Vorbeugen – Heilen – Verjüngen. Ein Film über die Schweizer Heilbäder», produziert von der Dokumentarfilm AG in Zürich.
1970er Jahre
Anpassung an die moderne Medizin
1973 verstarb Präsident August Schirmer, der 40 Jahre lang für den Verband tätig gewesen war. Peter Kaspar, Kurdirektor von St. Moritz, übernahm das Präsidium. Unter seiner Führung wurde im November 1974 in Baden das 50-jährige Bestehen des Verbandes gefeiert. Dabei wurde auch der Film «In den Wässern sind alle Tugenden» des bekannten Regisseurs Kurt Früh präsentiert.
In den 1970er-Jahren ging es im Bäderwesen bergauf. Auch die Rezession Ende der 1970er, die dem allgemeinen Tourismus zu schaffen machte, ging am Gesundheitstourismus fast unbemerkt vorüber. Grund für den Aufschwung war, dass das Gesundheits-Bewusstsein der Bevölkerung zugenommen hatte und der Glaube an die Wunderkraft der Pharmazeutika ins Wanken geraten war. Die Werbeslogans des VSB wurden frecher: «Fit statt fett durch eine Kur im Schweizer Heilbad» lautete einer, «Stress strapaziert – Badekur regeneriert» ein anderer. Geradezu zum Klassiker wurde die Aussage «Vorbeugen ist besser als heilen».
Die Zahl der Menschen wuchs, die in einem Kurort Erholung und Regeneration suchten, um sich für die steigenden Anforderungen und Belastungen im beruflichen Alltag zu wappnen. Badekurorte und Kurhotels mussten sich dem neuen, eher jüngeren Gästesegment anpassen, ohne das Angebot für Patienten zu vernachlässigen, die von Ärzten eingewiesen worden waren.
Gleichzeitig waren die Forderungen an die moderne Medizin beträchtlich gestiegen. Dank neuen Untersuchungsmethoden waren genauere Diagnosen möglich. So beschloss die Indikationen-Kommission 1974, gemeinsam mit dem Bäderverband die Heilanzeigen nach neuen Gesichtspunkten zu definieren. Für jedes einzelne Heilbad bestehen heute verbindliche Indikationen, basierend auf den vorhandenen natürlichen Heilmitteln, den Therapieeinrichtungen und der ärztlichen Versorgung. Dazu kommen strenge ärztliche, bauliche und verbandsinterne Kriterien, die die Grundlagen für Beitragsleistungen der Krankenkassen an Kuraufenthalte bilden.
1976 gründete der VSB-Vorstand eine Schriftenreihe, um relevante Aufsätze, Referate, Tagungs-Abläufe, Forschungsergebnisse etc. zu veröffentlichen. Zudem erarbeitet der Präsident in Zusammenarbeit mit dem Sekretariat seit 1978 ein Informations-Bulletin für die Mitgliedersektionen, aber auch die Medien.
1979 wurde erstmals eine Frau in den VSB-Vorstand gewählt.
Jubiläum 50 Jahre Schweizer Badekurorte
Spezialedition der Revue Schweiz zum Thema Heilbäder
Film von bekannten Ressigeur Kurt Früh „In den Wässern sind alle Tugenden“
Professor Dr. C. Kaspar von der Universität St. Gallen stellt die Mindestbedingungen für die Anerkennung von Bade- und Klimakurorten vor.
1980er Jahre
Marketing und Internationalisierung
Wellness wurde in den 1980er-Jahren zum neuen Mega-Trend, der bis heute anhält. Der VSB intensivierte seine Werbeaktivitäten und nutzte moderne Marketingtechniken, um die schweizerischen Heilbäder weltweit zu bewerben. Ein Claim lautete: «Es ist nicht zu früh für eine Badekur im Schweizer Heilbad.»
Neue medizinische, aber auch bauliche und technische Mindestanforderungen, erarbeitet in Kooperation mit anderen Organisationen, wurden am 3. Juni 1982 von der Delegiertenversammlung des VSB angenommen und für alle Badekurorte verbindlich erklärt. Die Einhaltung der Richtlinien wird periodisch überprüft, die Normen jeweils dem Fortschritt der Medizin und der Gesetzgebung angepasst.
Seit den 1930er-Jahren bis 1985 war «Das kleine Bäderbuch» regelmässig in deutscher, französischer und englischer Sprache herausgegeben worden. Doch nun wollte man stärker auf Verkaufsförderung und Werbung setzen. Der «Schweizer Kurkatalog», der ab Herbst 1985 in einer Auflage von mehr als 100’000 Exemplaren in drei Sprachen erschien, gab Auskunft über alle anerkannten Badekurorte der Schweiz, über die Thermal- und Mineralquellen und deren Indikationen und Heilwirkungen.
1986 beauftragte der VSB das Institut für Fremdenverkehr und Verkehrswirtschaft der Hochschule St. Gallen mit einer Studie. Unter anderem wollte man Daten über den Stellenwert von Badekuren im Rahmen der Gesundheitsvorsorge, über das Ansehen der Heilbäder sowie die tieferen Motive für eine Badekur eruieren. 88 Prozent der befragten Heilbadbesucher erklärten, sie seien mit dem Aufenthalt und dem Erfolg sehr zufrieden; 82 Prozent versicherten, sie würden wieder kommen.
1989 übernahm Franz Dietrich, Berner CVP-Nationalrat, das Präsidium, weil Peter Kaspar krankheitsbedingt zurücktreten musste und kurz darauf starb.
Im Januar 1987 wurde im Hotel Zürich die Interessengemeinschaft ärztlich geleiteter Kurhäuser der Schweiz IGKS gegründet, Zwar war der Vorstand des Verbandes Schweizer Badekurorte prinzipiell zu einer Zusammenarbeit mit der IGKS im Kurkatalog ab 1988 bereit. Doch die VSB-Generalversammlung lehnte im Oktober 1987 die Kooperation ab. Im Dezember 1987 erschien deshalb der erste IGKS-Katalog.
Zusammen mit dem Konkordat Schweizerischer Krankenkassen (KSK, später in «santésuisse» umgetauft) erarbeitet die IGKS Beurteilungskriterien für Kurhäuser.
1990er Jahre
Qualitätssicherung und Diversifizierung
Am 15. Februar 1992 transformierte sich die IGKS zum Verband Schweizer Kurhäuser (VSK). Marianne Schiess übernahm das Sekretariat. Im Herbst 1992 starb der IGKS- und VSK-Gründer und Präsident Arthur Brunner. Im Februar 1993 wurde der bisherige Geschäftsleiter Max Nadig zum Präsidenten gewählt.
Der VSB verstärkte seine Lobbyarbeit für bessere Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen.
1996 wurde Rolf Engler, St, Gallen, als Nachfolger von Franz Dietrich VSB-Präsident. Er wurde in diesem Amt 1999 von Alfred E. Urfer, Zug, abgelöst, dem abtretenden Präsidenten des Schweizer Hoteliervereins.
2000er Jahre
2002 gründeten der VSB und der VSK, der seinen Marktauftritt 2003 unter dem Namen «Wohlbefinden Schweiz» anpasste, zusammen mit dem Schweizer Hotelier-Verein (später «hotelleriesuisse») und Schweiz Tourismus die Marketingkooperation Wellfeeling. 41 Schweizer Wellnesshotels, 61 Kurhäuser und 16 Heilbäder gaben gemeinsam die Broschüre «Sein und Lassen» heraus. Ziel war es, dem Gast mehr Transparenz zu bieten und die Qualität des Angebotes sämtlicher Betriebe, die in der Broschüre erwähnt wurden, zu garantieren.
2002 wurde Pascal Duruz, Vertreter von Yverdon-les Bains, für acht Jahre Präsident des VSB. 2010 wurde er durch Ernst Barandun in diesem Amt abgelöst. Barandun war während mehr als 30 Jahren bis 2017 verantwortlich für das Schamser Heilbad in Andeer GR.
2010er Jahre
Fusion und Neuausrichtung
Kurhäuser und Heilbäder sahen sich mit einer immer stärker werdenden Konkurrenz durch Wellness- und Spa-Einrichtungen in Ferienhotels sowie durch Day Spas vor allem in grösseren Städten konfrontiert. Ende Februar 2009 hatten wieder Gespräche zwischen den Verbänden der Kurhäuser und der Heilbäder stattgefunden. Diesmal klappte es: Am 25. Juni 2010 unterzeichnen die Schweizer Heilbäder und Wohlbefinden Schweiz eine Vereinbarung über eine gemeinsame Marktbearbeitung. Im November 2010 erschien die erste, gemeinsam produzierte Broschüre «Wege zum Wohlbefinden». Auch die Website wurde gemeinsam gestaltet.
Am 25. April 2012 feierte Wohlbefinden Schweiz, der Verband der Kurhäuser, an der GV im Park-Hotel Rheinfelden sein 20-jähriges Bestehen. Ein Jahr später existierte er nicht mehr: Am 17. April 2013 genehmigen die Mitglieder von Wohlbefinden Schweiz und der Schweizer Heilbäder den Zusammenschluss der beiden Verbände unter dem Namen «Heilbäder und Kurhäuser Schweiz». Präsident wurde Max Nadig, der Wohlbefinden Schweiz schon seit 20 Jahren geleitet hatte.
Diese strategische Entscheidung zielte darauf ab, Synergien zu schaffen und Ressourcen zu bündeln, was einen stärkeren Auftritt im Gesundheitswesen und im Tourismussektor sowie gegenüber politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern ermöglichte.
Der fusionierte Verband konzentriert sich auf Qualitätssicherung, Innovation, Kooperationen und die Anpassung an den digitalen Wandel, um die Tradition und Exzellenz der Schweizer Heilbäder und Kurhäuser zu bewahren und auf neue Gesundheitstrends zu reagieren. So soll die Schweiz als führende Destination im Gesundheitstourismus durch einzigartige Erlebnisse und moderne Angebote gestärkt werden.
An der GV im Kurhotel Sonnmatt Luzern am 20. März 2019 wurde Marianne Schiess nach 27 Jahren in die Pension verabschiedet. Ladina Bruggmann-Giovanoli wurde neue Geschäftsführerin.